Panzer: Auf diesen Oldtimer aus dem Kalten Krieg greift Putin jetzt zurück - WELT (2024)

Geschichte Oldtimer T-54/T-55

Auf diesen Panzer aus dem Kalten Krieg greift Putin jetzt zurück

Russland öffnet seine Arsenale – und heraus kommen Panzer, die mehr als 70 Jahre alt sind. Das Modell T-54, von dem jetzt Exemplare auf dem Weg in die Ukraine sein sollen, wurde noch zu Stalins Zeit entworfen. Bis zu 100.000 Stück wurden davon gebaut.

| Lesedauer: 5 Minuten

Von Johann Althaus

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Je oller, je doller. Nach dieser etwas schlichten Maxime scheint die russische Armee im März 2023 Material an die Front in der Ukraine zu werfen, das nicht nur älter ist als alle Besatzungen und Offiziere, sondern zumindest zum Teil sogar vor der Geburt des 70-jährigen Oberbefehlshabers Wladimir Putin entstand.

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Jedenfalls kursieren in sozialen Medien Fotos von Kampfpanzern der Typen T-54 und T-55, die per Transportzug auf dem Weg in die Ukraine sind. Die erste Serie dieses meistproduzierten Panzers aller Zeiten lief ab 1946 vom Band; gegenwärtig reaktiviert werden zumindest auch einige Modelle aus der 1951 aufgelegten Baureihe, wie an Modifikationen am Laufwerk und am Turm erkennbar ist.

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Im Zweiten Weltkrieg war der erstmals 1940 ausgelieferte mittelschwere Panzer T-34 das Standardmodell der Roten Armee gewesen. Neben kleineren Modifikationen während der laufenden Serienproduktion wurde Ende 1943 eine umfassende Überarbeitung dieses Modells, im Militärjargon „Kampfwertsteigerung“ genannt, vorgenommen: Die bisherige Kanone im Kaliber 76 Millimeter wurde durch ein Geschütz von 85 Millimetern Rohrdurchmesser ersetzt; ein neuer Turm mit mehr Platz gehörte zu den weiteren Vorteilen.

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Waren vom ersten Modell T-34/76 von 1940 bis Anfang 1944 nach Aktenlage 35.120 Stück gebaut worden, so folgten vom T-34/85 von Anfang 1944 bis zum Kriegsende 29.430 Exemplare. Weitere 19.000 Exemplare wurde noch nach dem 8. Mai 1945 in der Sowjetunion sowie in Lizenzproduktion in Polen und der Tschechoslowakei bis 1958 hergestellt.

Doch dass der T-34 hoffnungslos veraltet war, wussten auch die sowjetischen Panzerkonstrukteure natürlich. Sein Laufwerk basierte auf einem Entwurf des US-Ingenieurs J. Walter Christie aus dem Jahr 1931. Die beiden ersten Nachfolgemodelle des T-34/85, der T-43 und der T-44, nahmen zwar Erfahrungen aus dem Kampfgeschehen an der Ostfront auf, blieben aber fast bedeutungslose Zwischenformen: Vom T-43 wurden nur zwei Prototypen hergestellt, vom Nachfolger immerhin 1823 Stück auf umgerüsteten Fließbändern des T-34, allerdings nur etwa 250 bis zum 8. Mai 1945.

Gegenüber dem T-34 hatte der T-44 eine neue, deutlich niedrigere Wanne und einem stärkeren Antriebsstrang aus Dieselmotor und Getriebe. Jedoch erwies sich der Turm als zu klein, um darin anstatt der 85-Millimeter-Kanone des T-34/85 ein Geschütz im Kaliber 100 Millimeter einzubauen. Zur gleichen Zeit verfügten die schweren Panzer der Roten Armee, der IS-2 und der IS-3, schon über ein Geschütz im Kaliber 122 Millimeter. Jedoch waren diese Kampffahrzeuge mit fast 50 Tonnen Einsatzgewicht um die Hälfte schwerer als der T-44 und deutlich langsamer – sie taugten nicht als Standardpanzer in einer modernen Armee.

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1946 begann die Produktion einer weiteren Zwischenversion, die den Namen T-54-1 bekam: Sie verwendete eine mit 40 Zentimetern in der Länge und zehn Zentimetern in der Breite leicht vergrößerte Wanne des T-44 und einen stärkeren Motor. Die Grundkonstruktion erwies sich als gut, doch sie hatte eine große Schwäche: der Drehkranz des Turms war anfällig für gegnerische Treffer. Die Produktion wurde gestoppt, die mehr als tausend bereits hergestellten Geschütztürme mit 100 Millimetern Kaliber wurden in Befestigungsanlagen verwendet.

Erst im folgenden Jahr erreichte der eigentliche T-54 die Produktionsreife. Die Wanne war sehr ähnlich, aber der Drehkranz modifiziert. Außerdem bekam der Panzer nun einen neuen, niedrigen Turm in Form einer flachen Kuppel. Intern hieß dieses Modell T-54-2; tatsächlich aber war es das erste, das wirklich bei der Truppe eingeführt wurde. Diese Variante ging 1949 in Produktion; bis Ende 1950 waren etwa 420 Stück hergestellt.

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Dann folgte schon die nächste Überarbeitung, der T-54-3 oder auch nur T-54 (1951). Es sieht so aus, dass zumindest auch Panzer dieser Baureihe 72 Jahre später in die Ukraine geschickt werden. In der ursprünglichen Version hatte er noch keinen Stabilisator für die Kanone, der Feuern aus der Bewegung erlaubte – im Gegensatz zum US-Panzer M-26, der über ein solches, wenngleich noch recht primitives System, bereits seit 1945/46 verfügte.

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Ab der Variante T-54A wurde ein solches System eingebaut; die 1955 eingeführte Weiterentwicklung T-54B hatte bereits eine weiter entwickelte Stabilisierung. Drei Jahre später folgte eine deutliche Verbesserung mit stärkerem Motor und Schutzeinrichtungen gegen atomare, biologische und chemische Angriffe als T-55. Diese Version ersetzte nun auch die letzten nominell schweren Panzer der sowjetischen Armee, die älteren IS-3 und den neueren T-10.

Von 1946 bis 1958 waren in der Sowjetunion rund 35.000 Panzer des Grundtyps T-54 hergestellt worden; von 1955 bis 1981 folgten weitere 27.500 T-55. Hinzu kamen große Stückzahlen in Lizenzproduktion, nämlich 10.000 in Polen und 11.000 in der CSSR sowie 13.000 in der Volksrepublik China. Mit einer Gesamtproduktion von mindestens 96.500 Exemplaren übertraf das Modell T-54/55 sogar die Menge der hergestellten T-34.

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Der T-54/55 war an praktisch allen Kämpfen und Kriegen beteiligt, in denen seit 1955 überhaupt Panzer zum Einsatz kamen – von der Niederschlagung des ungarischen Volksaufstandes 1956 (in sowjetischen Diensten) über den Vietnamkrieg (auf nordvietnamesischer Seite) und die verschiedenen Nahostkriege seit 1967 (in der ägyptischen und der syrischen Armee) und zwischen Indien und Pakistan (mit indischen Besatzungen) bis zum sowjetischen Krieg in Afghanistan 1979 bis 1988. Im chinesisch-sowjetischen Konflikt 1969 sowie im Golfkrieg zwischen dem Iran und dem Irak 1981 bis 1990 kämpften T-54/55 sogar gegeneinander.

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Da ausgemusterte Modelle an Regime in der Dritten Welt exportiert wurden, waren und sind T-54/55 auch an fast allen Bürgerkriegen seit etwa 1975 beteiligt: unter anderem im Libanon, in Ex-Jugoslawien, Somalia, Afghanistan, Libyen und vielen anderen Ländern.

Dass allerdings die russische Armee 2023 auf einen im Entwurf fast 75 Jahre alte Panzer zurückgreifen muss (auch wenn die reaktivierten Exemplare wahrscheinlich modifiziert sind), ist wirklich überraschend. Das ist so, als würde die US Army noch im 21. Jahrhundert den etwa zeitgleich entstandenen M-46 aufbieten – Panzer, die schon 1957 außer Dienst gestellt und bis auf wenige Exemplare in Museen längst verschrottet sind.

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